Impfung als Grundlage für Ferienmaßnahmen – Pfadfinder bitten Landräte um Unterstützung
Laut bundesweiter Corona-Impfreihenfolge gehören Mitarbeitende der Kinder- und Jugendarbeit zur Priorisierungsgruppe 3. Damit im Sommer wieder Angebote für junge Menschen durchgeführt werden können, haben die beiden niederrheinischen DPSG-Bezirke nun einen Brief an die Kommunalpolitik verfasst und appellieren daran ehrenamtliche Gruppenleiter*innen bei der Immunisierung nicht außen vor zu lassen.
Wer sich den Text der Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) durchliest, stößt in Paragraph 4 auf den Absatz 1, in dem es heißt: „Folgende Personen haben mit erhöhter Priorität Anspruch auf Schutzimpfung: (…) Personen, die in Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe (…) tätig sind“. Nach unserem Dafürhalten sind damit neben hauptberuflichen Mitarbeitenden auch ehrenamtliche Leiter*innen mit regelmäßigem Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gemeint, zumal die DPSG, genau wie andere Jugendverbände als freier Träger der Jugendhilfe anerkannt ist. Dies bestätigt auch der Deutsche Bundesjugendring, der deutschlandweit viele Jugendverbände politisch vertritt, in seiner Position „Impfung und Ehrenamt“.
Wichtiger Dienst für die Gesellschaft
In absehbarer Zeit wird die Priorisierungsgruppe 2 durchgeimpft sein, erste Teile der Gruppe 3 sind in Nordrhein-Westfalen seit dem 6. Mai freigegeben. Gleichzeitig werden jedoch die Rufe nach einer schnellen Beendigung der grundsätzlichen Impfpriorisierung immer lauter. Dies hätte zur Folge, dass die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden der Jugendarbeit sich wie alle Menschen ohne Priorisierung um eine Impfung bemühen müssten, obwohl sie einen besonders wertvollen Dienst für die Gesellschaft leisten.
Gerade mit Blick auf die Durchführung der Freizeitmaßnahmen in den Sommerferien müssen die Mitarbeiter*innen der verbandlichen Jugendarbeit nun sehr schnell ihre erste Impfung bekommen. Sonst wird es nicht möglich sein, die zweite Impfung vor Beginn der Ferien an diese Gruppe verabreichen zu können. Oberstes Ziel soll dabei sein für Kinder und Jugendliche im Sommer wieder Ferien-Angebote in einem Rahmen durchzuführen, den das jeweilige Pandemiegeschehen dann zulässt. Gleichzeitig können damit auch Eltern Entlastung finden und etwas Luft holen.
Schnelles Handeln notwendig
Aus anderen Kommunen in NRW ist zu erfahren, dass mit Impfungen für Ehrenamtliche zum Teil bereits begonnen wurde, da dort diese Notwendigkeit von politisch Verantwortlichen schon erkannt wurde.
In einem Brief an die Landrätin des Kreises Kleve Silke Gorißen und den Weseler Landrat Ingo Brohl haben die beiden Vorstände der Niederrhein-Bezirke nun auf diese Situation aufmerksam gemacht und um einen kurzfristigen und pragmatischen Umgang von Politik und Verwaltung damit gebeten. Dabei liegt ihnen vor allem das Wohl junger Menschen am Herzen, die nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie oft vergessen werden.
Durch einen Impfschutz versprechen sich die Pfadfinder*innen mehr Sicherheit und damit eine gesteigerte Bereitschaft ihrer Ehrenamtlichen Freizeitangebote auch wieder in Präsenz durchzuführen. Seit dem letzten Jahr finden wöchentliche Gruppenstunden hauptsächlich in digitaler Form statt.
In einer ersten Reaktion auf ein ähnliches Schreiben der evangelischen Jugend im Kirchenkreis Wesel hat sich Ingo Brohl bereits zu Wort gemeldet und zugesagt das wichtige Anliegen junger Menschen auch an Regierungsmitglieder auf Landes- und Bundesebene weiterzugeben.
Hier gibt's den Brief an die Landrät*innen im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Gorißen,
Sehr geehrter Herr Brohl,Den demokratischen Fraktionen in den Kreistagen zur Kenntnis
Anlass unseres Schreibens ist die angekündigte Aufhebung der Impfpriorisierung vermutlich Ende Mai und der Beginn der Sommerferien Anfang Juli. Der Zeitraum bis zur Freigabe der Impfungen und der Zeitraum der Sommerferien hängen in unserer Arbeit mit und für junge Menschen unmittelbar zusammen.
Die beiden niederrheinischen Pfadfinderbezirke organisieren ca. 3.500 Kinder und Jugendliche in 30 Stämmen bzw. Ortsgruppen in den Kreisen Kleve und Wesel. Alle Gruppenstunden, Ausflüge und Ferienfreizeiten sowie die Stämme und Bezirke werden ausschließlich ehrenamtlich geleitet.
Neben den ehrenamtlich Engagierten sind unsere Mitglieder von den Regelungen der Pandemie in vielfacher Weise betroffen: Fehlen den Kindern und Jugendlichen Sozialkontakte durch Wechsel- oder Distanzunterricht, so verschlimmert das Fehlen von Kontakten zu Gleichaltrigen im non-formalen und informellen Bildungsbereich (z. B. der Jugendverbandsarbeit) die Lage und das Wohlbefinden junger Menschen zusätzlich. Neben den jungen Menschen selbst sind Alleinerziehende oder Elternpaare durch erhöhten Betreuungs- und Bildungsaufwand belastet.
Seit der deutschen Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention 1992 sind alle Kinderrechte in Deutschland zwar geltendes Recht, werden jedoch kaum aktiv umgesetzt. Dabei heißt es in § 31 UN-KRK: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit an, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben.“ Dieses Recht konnten junge Menschen durch die Verbote der Angebote der Jugendarbeit oder des Sports seit Monaten kaum wahrnehmen. Junge Menschen und wir als Jugendverband haben wie viele andere in unserer Gesellschaft durch Verzicht einen solidarischen Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung geleistet.
Solidarisch sein bedeutet aber auch, die besonderen Rechte und Lebenslagen junger Menschen anzuerkennen. Daher muss alles getan werden, damit Kindern und Jugendlichen in den Sommerferien zumindest einige Freizeit-Angebote unterbreitet werden können. Ob geplante Zeltlager und Ferienfreizeiten durchführbar sein werden, wird zum einen von den rechtlichen Rahmenbedingungen im Juli abhängen. Zum anderen hängen selbst örtliche Angebote wie Spiele-Nachmittage, Lagerfeuerrunden o. ä. davon ab, dass diejenigen, die sich freiwillig und unentgeltlich für Kinder und Jugendliche engagieren, bestmöglich vor einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt sind. Nur so können Maßnahmen überhaupt stattfinden, junge Menschen Erfahrungen in peer-groups machen, Ehrenamtliche sich sicher einbringen und Erziehungsberechtigte ggf. etwas durchatmen.
Daher appellieren wir deutlich an Sie: Stellen Sie sicher, dass hauptberuflich und ehrenamtlich Tätige der Kinder- und Jugendarbeit aus der Impf-Priorisierungsgruppe 3 noch vor der völligen Aufhebung der Impfpriorisierung Terminvereinbarungen vornehmen können!
Nur so kann sichergestellt werden, dass im Sommer Menschen bereit sein werden, Ferienangebote in welcher Form auch immer für vermutlich bis dahin ungeimpfte junge Menschen zu verantworten.
Da wir aus anderen Kommunen zu dieser Thematik positive wie negative Berichte in unserem Verband erhalten, möchten wir proaktiv auf Sie zu gehen. Ehrenamtliche in der Jugendarbeit sind „Personen, die in Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe (…) tätig“ sind. Diese Lesart bestätigen auch die FAQs zur Impfverordnung und den Corona-Regeln in NRW, die jeden Freitag zwischen Landesjugendämtern, Landesjugendring und dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf beraten werden.
Da wir in den Online-Vordrucken zur Bestätigung eines priorisierten Impfanspruchs keine passende Kategorie für die Jugendarbeit gefunden haben, freuen wir uns über Informationen Ihrerseits, wie wir gemeinsam das Verfahren so einfach wie möglich für alle Beteiligten gestalten können. Eine Bestätigung der ehrenamtlichen Tätigkeit können wir für unsere Leiter*innen jederzeit ausstellen.
Gerne stehen wir Ihnen auch unabhängig von der Pandemie zum persönlichen Gespräch über die Situation der Jugendverbandsarbeit und die Mitbestimmungsmöglichkeiten junger Menschen zur Verfügung. Wir erkennen Ihren Einsatz in dieser Krisenzeit ausdrücklich an und sind für jede Verbesserung der Lage junger Menschen, die Anerkennung des ehrenamtlichen Engagements der Jugendverbände und jeder Entlastung von Eltern und Erziehungsberechtigten dankbar.
Mit freundlichen Grüßen & Gut Pfad,Bezirksvorstand Niederrhein-Nord
Benedikt Gesing, Juliane Krysmalski, Henning BayerBezirksvorstand Niederrhein-Süd
Katrin Duda, Pia Hagemann
Wir als DPSG-Bezirke am Niederrhein hoffen nun auf Gehör und eine schnelle Reaktion der Politik um unser Vorhaben auch wirklich umsetzen zu können. Über die Ergebnisse und das weitere Vorgehen werden wir euch in Kenntnis setzen, so bald es etwas Neues dazu gibt.